Interview mit Yasin Hinz
Yasin Hinz (17) ist Sprecher von Fridays For Future Deutschland. Seit er 11 war, engagiert er sich für Klimagerechtigkeit. Mit uns hat er über seine Hoffnungen geredet, und was er von einer zukünftigen Regierung erwartet.
Letztendlich entscheiden Entscheidungsträger*innen über unsere Zukunft, über die Zukunft unserer Kinder. Und das das kann fatal ausgehen, wenn man sich jetzt nicht mit Klimaschutzmaßnahmen anfreundet und irgendwie an der Klimakrise vorbei regieren will. Das ist letztendlich nicht möglich und das muss die Koalition, das muss die nächste Regierung auch anerkennen. Weil wenn sie eine Regierung für die Zukunft sein wollen, dann müssen sie auch für die Zukunft regieren. Und dann müssen sie auch über die Klimakrise sprechen.
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Klaas Janowsky: Herzlich Willkommen zu unserer Eine-Welt-Landeskonferenz, jetzt im digitalen Raum. Hier sprechen wir mit Jungen Engagierten für globale Gerechtigkeit, für Demokratie, für Nachhaltigkeit. Und heute zu Gast ist Yasin Hinz. Yasin, du bist aktiv bei Fridays for Future, schön dass du da bist. Erzähl uns doch gerne erstmal ein bisschen über dich.
Yasin Hinz: Ja, danke für die Einladung. Genau, ich bin bei Fridays for Future aktiv. Mein Name ist Yasin Hinz, ich bin Klimaaktivist und Sprecher von Fridays for Future Deutschland. und jetzt nun seit sechs Jahren in der Klimabewegung aktiv.
Klaas: Wow, seit 6 Jahren schon wie kams denn dazu?
Yasin: Das kam irgendwie relativ früh; ich war elf Jahre alt zu dem Zeitpunkt. Ich komme aus Köln und meine Familie kommt so ein bisschen aus dem Kölner Umland. Und man kennt ja das Tagebaugebiet und das Tagebaugebiet Hambach. Und meine Oma wohnt direkt an diesem Tagebau. Und man man hat gemerkt, wie die Grube immer näher kam. Und dann fing es in der Schule an. In Erdkunde hat man dann das erste mal über den Klimawandel geredet und dann hat sich so ein kleines Verständnis einfach dafür entwickelt. Und dann kam ja letztendlich der Aufschwung mit Greta Thunberg. Wir sind entstanden und so bin ich da reingerutscht.
Klaas: Du gehst perfekt über; das wär auch meine nächste Frage gewesen. Fridays for Future ist ja entstanden sozusagen durch die Proteste der Schwedin Greta Thunberg im August 2018. Deutschland Kam sehr sehr schnell hinterher und hat dann auch einen sehr rasanten Aufschwung mit zahlreichen Ortsgruppen, massenhaft Protesten in vielen Städten gehabt. Wie erklärst du dir das rasante Wachstum zu der Zeit?
Yasin: Ich glaub ich erkläre mir das zum einen so, dass das Thema auf einmal sehr nahbar war. Es gab einen total großen medialen Aufschwung. Man hat das erste mal irgendwie richtig über Klimapolitik geredet. Man hatte 2019 im Jahr die Europawahl, die ja dann letztendlich durch diesen Aufschwung auch zu einer Klimawahl geworden ist, wenn man so will. Und klar haben wir als Klimabewegung, als Junge Menschen, die da auf die Straße gegangen ist, viel zu beigetragen. Aber ich glaube auch, die Zeit, die da grade entstanden ist; dieses ökologische Bewusstseinsverhältnis, was da entstanden ist, hat dazu beigetragen, dass letztendlich so eine breiteZivilgesellschaft hinter uns stand und die Zahlen, wie du sagtest, rasant gestiegen sind. Und das setzt sich ja bis heute fort.
Klaas: Bis heute ist Fridays for Future ja offiziell noch kein Verein oder sehr formell organisiert, aber Strukturen stehen da natürlich trotzdem hinter. Möchtest du ein bisschen berichten, wie seid ihr grade aufgestellt?
Yasin: Genau, wir sind, wie du schon sagtest, kein Verein. Wir sind auch keine Organisation. Wir sind eine Bewegung. Klar herrschen bei uns auch Strukturen, wie wir uns irgendwie organisieren. Weil letztendlich, Massenproteste zu schaffen, die dezentral in verschiedenen Ortsgruppen – wir haben über 500 Ortsgruppen deutschlandweit. Das wäre schwierig, wenn wir da keine Strukturen hinter hätten Wir gehen so vor, dass wir komplett basisdemokratisch arbeiten, dass wir unsere OGs haben, die jeweils Delegierte entsenden, wo dann auch bundesweit Wahlen stattfinden können, und wo sich letztendlich auch jeder dran beteiligen kann. Das heißt: Man kann im Prinzip auch sagen: „Ich möchte gar nicht in einer Ortsgruppe aktiv sein, aber möchte zum Beispiel auf dem Instagram Account von Fridays for Future Deutschland bisschen was machen. Dann kann man zum Beispiel der Social Media AG beitreten, oder der Presse AG. Das ist alles möglich und das ist von Klein bis groß überall möglich.
Klaas: Du hattest auch eben schon die Wahlen angesprochen: 2019 die Europawahlen, die dann zur Klimawahl wurden. Auch die Bundestagswahl 2021 wurde maßgeblich durch Fridays for Future mitgestaltet, zur Klimawahl eben Klimawandel in zu einem zentralen Thema zu machen. Bei der diesjährigen, vorgezogenen Bundestagswahl wiederum, wurde das Thema etwas ausgespart von den Parteien. Wie erklärst du dir das?
Yasin: Es war dieses Jahr auf jeden Fall ein bisschen mau. Wir haben den großen Rechtsruck erlebt, weil wir haben das erste mal die AfD in so einer unfassbar großen Fraktion da sitzen. Als ich die erste Sitzung angeschaut habe, und auf die Fraktion geschaut habe, war das in dem Moment erstmal ganz schwer zu realisieren. Man war sich ja dessen irgendwie bewusst, aber wenn man das dann noch mal gesehen hat, war das schon sehr schockierend. Da haben wir diese Wahl verloren, nicht wir als Klimabewegung, aber haben andere demokratische Parteien diese Wahl verloren, indem sie sich nicht dort angeknüpft haben, wo die AfD an den einfachen Menschen gegangen ist.
Die AfD hat so einen extrem populistischen Wahlkampf gemacht, und so einen nahbaren Wahlkampf, der für Bürger*innen in Deutschland ganz einfach zugänglich war. Und das haben, meiner Meinung nach, andere Parteien ein bisschen verpasst und letztendlich auch Wähler*innen damit verloren. Das Thema Klima kam dann noch weniger vor. Wir wissen, die AfD leugnet den menschengemachten Klimawandel und das ist für uns als Klimabewegung erstmal ein ganz, ganz großes Problem. Aber auch für andere demokratischen Parteien, die sich eigentlich mit diesem Thema befassen können, aber jetzt damit zu kämpfen haben, dass der Rechtsdruck immer weiter erstärkt und das Thema keinen Platz mehr in der Debatte findet. Das muss wieder geändert werden, und dafür sind unter anderem die demokratischen Parteien verantwortlich, aber auch wir als Zivilgesellschaft.
Klaas: Und dann können wir zuversichtlich sein, in diesen Tagen, oder auch zumindest neugierig, was der Koalitionsvertrag hergibt. Aber nichtsdestotrotz gibt es ja das Pariser Klimaabkommen noch. Klar, einige weltweite Politiker*innen zweifeln das immer wieder an, und drohen mit dem Austritt oder treten auch aus. Aber Fridays for Future orientiert sich maßgeblich an den Zielen, die auch in diesem Pariser Klimaabkommen formuliert sind, und möchte die Regierung darauf hinweisen, diese auch bitte einzuhalten, oder dazu bringen. Aber jetzt mal so persönlich: bist du zuversichtlich?
Yasin: Ich glaube, man hat immer eine gewisse Zuversicht in sich. Man hatte man hat diese Hoffnung daran, dass es noch passiert. Bei manchen is es eine bequeme Hoffnung, bei uns ist es eine Hoffnung indem wir drum kämpfen. Wir feiern dieses Jahr irgendwie 10 Jahre Pariser Klimaabkommen. Und es war ja zuversichtlich, es war 2019 zuversichtlich. Und es kann immer noch zuversichtlich sein, aber die nächste Bundesregierung muss jetzt handeln, oder es is halt zu spät. Zurzeit schwindet diese Zuversicht ein bisschen aber ich glaube, wir sollten die Hoffnung niemals dran aufgeben.
Klaas: Was gibt dir die Kraft?
Yasin: Ich glaub die Kraft, die ich irgendwie in Mir habe, ist dass ich die Hoffnung daran habe, dass es besser wird. Und das ist das, was mich irgendwie aufpuscht, dafür zu kämpfen, weil ich der Meinung bin: Nur wenn man seine Stimme dafür nutzt, dann wird sie auch gehört. Deswegen bin ich aktiv geworden in der Klimabewegung, und deswegen sind so unfassbar viele Menschen mit uns auf die Straße gegangen und gehen immer noch mit uns auf die Straße. Klar soll das jetzt irgendwie nicht die Forderung an jeden Menschen sein, dass man sich politisch engagieren muss. Aber ein gewisses Verständnis dafür schaffen, dass es immer so meine Ansporn gewesen ist.
Und jetzt Leben wir irgendwie in der Zeit, 6 Jahre Fridays For Future, und wir müssen nicht mehr erklären, was die Klimakrise ist. Wir haben ja diesen Schritt von Aufklärungsarbeit, mit anderen Umwelt- und Naturschutzverbänden, voranbringen können. Die Leute wissen letztendlich was die Klimakrise ist. Und das war ein großer Schritt. Die Hoffnung in mir ist einfach, dass wir es alle zusammen schaffen, dass wir unsere Klimaziele einhalten können.
Klaas: Du wurdest ja auch relativ früh darauf aufmerksam. Die Reaktionen auf Fridays for Future, grade zu Beginn, waren gemischt. Wie hast du das erlebt damals, vor allem in dem Jungen Alter?
Yasin: Es war auf jeden Fall glaub ich noch eine ganz andere Situation, als sie heute ist. Uns gibt’s jetzt schon seit 6 Jahren und man kennt sie, man kennt uns irgendwie schon. Damals waren wir ganz unbekannt und ganz frisch und ganz neu. Und die Feelings, sag ich mal, waren sehr gemischt. Einerseits hieß es „Geht mal bitte wieder in die Schule sonst vermissen euch eure Geschichtsbücher bald“ . Aber es gab auch diesen extrem Zuspruch aus der Schule hinaus von Lehrer*innen, von der Familie, von anderen Menschen. Von dieser irgendwie schon bestehenden, aber kleinen, ökologischen Zivilgesellschaft, die dann irgendwie rasant mit uns gewachsen ist.
Es ist zwar eine Mischung aus Akzeptanz und keine Akzeptanz, beziehungsweise einfach kein Verständnis dafür. Aber ich würde sagen, es war gar nicht so schwer, weil, wie ich grade am Anfang schon sagte, 2019 war das Klimajahr, wenn man so will und irgendwie hatte jeder über das Klima gesprochen. Und das war ganz Hip 2019. Und es war irgendwie ganz cool, auf die Straße zu gehen. Das nahm dann irgendwann ab, das schwächte irgendwann ab, was dann auch vollkommen okay ist. Wir haben nicht die Erwartungshaltung, dass bei jedem Klimastreik 1,5 Millionen Menschen mit uns auf die Straße gehen. Aber das haben wir 2.019 eben erreicht, und da sind wir ganz stolz drauf. Da war die Stimmung glaube ich noch eine andere, als sie jetzt wieder ist. Aber ich will auch zu bedenken geben: zu dieser Zeit war Trump auch Präsident der USA, und die Groko in Deutschland hat regiert, also ich sag mal so nichts is unmachbar.
Klaas: Gerade in dieser Zeit, und das ist ja auch das Thema der Konferenz hier, ist es wichtig, dass junge Menschen auch gerade ihre Stimme erheben, auf die Straße gehen. Gerade beim Thema Klimawandel geht es immer darum: „wir erleben es noch“. Was glaubst du, warum ist es wichtig, dass die jungen Menschen weitermachen?
Yasin: Ich glaube, es ist unfassbar wichtig, dass vor allem wir jungen Menschen unsere Stimme dafür nutzen, dass wir uns diese lebenswerte Zukunft einfach erkämpfen. Letztendlich entscheiden Entscheidungsträger*innen über unsere Zukunft, über die Zukunft unserer Kinder. Und das das kann fatal ausgehen, wenn man sich jetzt nicht mit Klimaschutzmaßnahmen anfreundet und irgendwie an der Klimakrise vorbei regieren will. Das ist letztendlich nicht möglich und das muss die Koalition, das muss die nächste Regierung auch anerkennen.
Weil wenn sie eine Regierung für die Zukunft sein wollen, dann müssen sie auch für die Zukunft regieren. Und dann müssen sie auch über die Klimakrise sprechen. Das ist die größte Krise unserer Zeit, und sie gefährdet die Sicherheit – unser aller. Ich finde, wenn Friedrich Merz für Werte, wie Heimat und Sicherheit steht, dann muss er diese auch sichern. Und diese kann er nur sichern, wenn er entschlossen der Klimakrise entgegensteht.
Klaas: Was möchtest du anderen Engagierten mit auf den Weg geben?
Yasin: Ich glaube es ist für alle unfassbar wichtig, dass wir unsere Stimme erheben und sagen: „Hey so kann es nicht weitergehen und wir müssen jetzt daran zusammen feilen.“ Und wir können das zusammen erreichen. Wir haben nicht eine Erwartungshaltung an die Politik, dass sie einfach jetzt machen muss und alle beruhigen sich dann. Sondern es sind Ziele, es sind Etappen, die sie erreichen müssen, und die wir gemeinsam erreichen können. Und dann muss die Politik, auf gut Deutsch gesagt, jetzt in die Pötte kommen oder ist es halt zu spät.
Da gibt es ganz viele andere Naturschutzverbände, wie ich gerade schon sagte, die sich schon seit Jahren engagieren, beispielsweise Greenpeace oder dem BUND. Und da sind ja auch Menschen über dem Durchschnittsalter von Fridays for Future organisiert. Und das gibt mir dann irgendwie die Hoffnung, dass es ja auch da Gehör für die Klimakrise gibt, und dass auch da über die Klimakrise gesprochen wird. Und ich glaube, da ist das Engagement und wie es stattfindet, gut aufgestellt, und könnte noch besser aufgestellt sein.
Klaas: Möchtest du zum Abschluss noch etwas sagen?
Yasin: Verliert irgendwie niemals die Hoffnung in euch! Und auch wenn es nur eine bequeme Hoffnung ist, wo man sagt ich hätte die Welt gerne besser, aber ich hab jetzt nicht die Feelings, mich irgendwie politisch zu engagieren. Auch das ist okay. Es kann ganz Klein anfangen. Unterschreib eine Petitionen oder push irgendwie den Algorithmus, von zum Beispiel diesem Account hier. und so macht man uns als als demokratische und klimabewusste Zivilgesellschaft stärker.
Anmerkung: Dieses Interview wurde bereits am 08. April geführt. Zu dem Zeitpunkt stand noch kein Koalitionsvertrag fest und die aktuelle Bundesregierung war noch nicht im Amt.