Lesung mit Autor Jakob Springfeld

Der Westen hat keine Ahnung was im Osten passiert

Dienstag, 11. November 2025, Münster

Jakob Springfeld wurde vom Deutschen Gewerkschaftsbund Region Münsterland, der Rosa Luxemburg Stiftung NRW und dem Eine Welt Netz NRW e.V. nach Münster eingeladen, um aus seinem neuesten Buch „Der Westen hat keine Ahnung, was im Osten passiert: Warum das Erstarken der Rechten eine Bedrohung für uns alle ist“ vorzulesen. Im Anschluss gab es die Möglichkeit gemeinsam zu Diskutieren. Im Folgenden sind ein paar wertvolle Eindrücke.

Begrüßung durch DGB und Eine Welt Netz NRW

Zunächst richtete der Organisationssekretär vom DGB NRW, Christopher Pottmeyer, einige Grußworte an das Publikum. Er berichtete darüber, warum für Gewerkschaften der Kampf gegen den Faschismus so wichtig ist: Mit dem Sturm auf die Gewerkschaften im Jahr 1933 und der anschließenden Vereinheitlichung der Gewerkschaften und der Verfolgung ihrer Mitglieder begann der gewerkschaftliche Antifaschismus, der bis heute Grundlinie der Arbeit ist. Der Geschäftsführer vom Eine Welt Netz NRW, Niklas van den Boom, erklärte, dass auch Eine Welt Akteur*innen dazu aufgerufen sind, gegen Rechtsextremismus zu kämpfen – denn Rechtsextremismus bedroht globale Gerechtigkeit. Er bekräftigte den Schulterschluss aller demokratischer zivilgesellschaftlicher Akteure, um dem aufstrebenden Rechtsextremismus etwas entgegenzusetzen.

Verantwortungs-Ping-Pong

Jakob Springfeld ist im westsächsischen Zwickau geboren und aufgewachsen. Darüber erzählt er in seinem ersten Buch „Unter Nazis“ ausführlich. In seinem zweiten Buch geht es laut ihm vor allem um die Weitergabe von Verantwortung, wenn es um das Erstarken der rechten Szene geht. Dieses Phänomen nennt er „Verantwortungs-Ping-Pong“. Das heißt: Die Verantwortung dafür, warum und wie die rechte Szene wächst, wird zwischen verschiedenen Akteuren, etwa zwischen Stadt und Land oder entlang des West-Ost-Gefälles, immer wieder hin- und hergeschoben. 

Personen im Westen Deutschlands, aber auch Menschen, die in Städten leben, vergessen dabei oft, mit welchen Alltagsrealitäten Menschen im Osten Deutschlands und besonders auf dem Land konfrontiert sind. Jakob Springfeld betont außerdem, dass auch wenn der Stimmenanteil der AfD bei der letzten Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen mit rund 15 Prozent deutlich geringer war als in Thüringen mit 40 Prozent, dies dennoch eine alarmierende Entwicklung sei. Denn auch in Thüringen sah die Situation vor einigen Jahren ähnlich aus. 

Engagement und Prävention statt Brände löschen

Man kann die Verantwortung also hin- und herschieben, doch der Rechtsruck in Deutschland ist eine komplexe Entwicklung, die sich nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen lässt. Außerdem bringt es nichts, nur zu analysieren, woher diese Entwicklung kommt. Wir müssen anfangen, nicht nur die Brände zu löschen, die Rechtsextreme legen, sondern uns aktiv finden, versammeln und engagieren und das am besten nachhaltig und nicht nur kurzfristig. Das heißt nicht, dass rechte Aktivitäten unkommentiert bleiben sollen, aber wir müssen dafür sorgen, dass sich die demokratische Mehrheit traut und stärker dafür einsetzt, demokratische Werte zu erhalten und zu verbreiten. 

Jakob Springfeld spricht auch sehr offen über seine Gefühle. Er sagt, das Dementieren von Angstgefühlen gegenüber dem Erstarken der Rechten sei falsch. Denn diese Gefühle sind real – sie dürfen uns nur nicht einschränken oder klein machen. Menschen, die demokratische Werte teilen, sind schließlich die Mehrheit. 

Berichte aus der Arbeit mit jungen Menschen

Darüber hinaus betont er, wie wichtig gesellschaftliche Partizipation bereits im jungen Alter ist. Sie kann verhindern, dass Jugendliche in die rechte Szene abrutschen, denn in diesem Alter ist das Gedankengut noch nicht vollständig gefestigt. Das zeigt sich auch in seiner Arbeit an Schulen. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein lebendiger Prozess und ein Privileg, der vom Mitmachen lebt. Sie entsteht und besteht nur, wenn Menschen sich aktiv für sie einsetzen – im Alltag, in der Bildung, in Vereinen und Initiativen. Gerade in Zeiten, in denen autoritäre und rechtsextreme Stimmen lauter werden, ist demokratisches Engagement wichtiger denn je. Demokratie bedeutet nicht nur wählen zu gehen, sondern auch, sich einzumischen, zuzuhören und solidarisch zu handeln. Nur wenn wir uns gemeinsam engagieren, können wir eine offene, gerechte und vielfältige Gesellschaft gestalten. 

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Jakob Springfeld für seinen Mut, seine Offenheit und sein Engagement. Er spricht über Themen, die uns alle etwas angehen, und zeigt, wie wichtig es ist, Haltung zu zeigen, auch dann, wenn es unbequem wird. Außerdem gilt ein großer Dank auch dem Deutschen Gewerkschaftsbund Region Münsterland sowie der Rosa Luxemburg Stiftung NRW, dass sie den Abend möglich gemacht haben.  

Was wir vorhaben

Passend zum Thema der Lesung plant das Eine Welt Netz NRW e.V. und das Eine Welt Netzwerk Thüringen e.V. im kommenden Jahr 2026, gemeinsam junge Menschen aus NRW und Thüringen mit unterschiedlichen Bildungshintergründen, Diskriminierungserfahrungen und Privilegien zusammenzubringen, um sich gegenseitig im Bemühen um Demokratie, Menschenrechte und gegen Rechtsextremismus zu unterstützen. Denn auch, wenn die Rahmenbedingungen beider Länder unterschiedlich sind, stehen beide Länder der gleichen gesellschaftlichen Herausforderung gegenüber. In Erfurt und Düsseldorf sollen junge Engagierte für eine Woche zusammenkommen, sich kennenlernen, austauschen und mit- und voneinander lernen. Durch dieses Projekt soll eine gemeinsame Aktion entstehen, die ein starkes Zeichen für Zusammenhalt, Demokratie und gegen Rechtsextremismus setzt.